Kritiken an Pedelecs/EBikes erlaubt, aber bitte fair

EBIKE
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Egal ob Menschen bei Akkubränden ums Leben kommen oder ob Pedelecs schlecht bei Tests abschneiden wie aktuell beim Test von ADAC und Stiftung Warentest; als Befürworter und Promoter dieser Art von Mobilität läuft mir da immer wieder ein kalter Schauer über den Rücken und ich hinterfrage mein Engagement. Wenn Menschen ums Leben kommen, dann ist das immer tragisch. Das will freilich niemand, und deswegen begrüße ich auch Tests, die auf Schwachstellen hinweisen und den Herstellern ans Herz legen, nachzubessern.

Über solche Dinge zu berichten, Aufmerksamkeit zu erzeugen und Verbraucher zu informieren ist die eine Sache, und dagegen ist nichts einzuwenden. Doch allzu oft gibt es bei diesen Berichten einen grundsätzlich negativen Subtext, der dann bspw. in Foren oder auch privaten Diskussionen aufgegriffen und verstärkt wird, immer wieder werden Pedelecs kritisiert. Einige dieser Kritikpunkte möchte ich hier aufgreifen und meine Meinung dazu äußern.

 

 

1. Pedelecs sind was für Leute, die nicht mehr selber Rad fahren können.

 

Ja, auch diese Zielgruppe kann bedient werden. Da unsere Gesellschaft immer älter wird und damit auch die Gebrechen zunehmen, bieten Pedelecs hier eine Möglichkeit Fahrradmobilität länger zu praktizieren und tragen ggf. dazu bei, dass Betroffene im Alter nicht gezwungen sind ihre gewohnte Mobilität aufgeben zu müssen. Darüber hinaus ist unsere Gesellschaft stark aufs Automobil ausgerichtet. Viele Menschen sind es überhaupt nicht gewohnt Fahrrad zu fahren, so dass längere Strecken schnell zur sportlichen Herausforderung werden und mit Anstrengungen verbunden sind, die viele Menschen vielleicht in der Freizeit als sportliche Betätigung auf sich nehmen würden, aber nicht jeden Tag, um bspw. auf Arbeit zu kommen, die Kinder in die KITA zu bringen oder um einzukaufen. Zukünftig, wenn die Benzinpreise weiter steigen sollten, könnten viele Menschen aber vor dem Problem stehen (und vielen geht es schon heute so), dass sie sich Automobilität nicht mehr vollumfänglich leisten können. Das Pedelec stellt hier definitiv eine Mobilitätsoption dar, die den Übergang in die Fahrradmobilität erleichtern kann, denn mit einem Pedelec ist sogar untrainierten Menschen das Pendeln zur Arbeit, auch über Entfernungen von 10 km hinaus, möglich.

Oft geht mangelnde Fitness auch mit zum Teil krankhaftem Übergewicht einher. Diesen Menschen fällt es dann mitunter noch schwerer, dass Fahrrad als Verkehrsmittel für sich zu entdecken, da sie sich nicht dem Spott anderer Menschen aussetzen wollen. Dabei wäre körperliche Betätigung gerade bei Gewichtsproblemen wichtig. Auch diesen Menschen bietet das Pedelec die Möglichkeit das Radfahren für sich zu entdecken, denn sie können sich damit wie normale Radfahrer bewegen, kommen weniger ins Schwitzen und können vom Trainingseffekt, den das Pedelec mit sich bringt profitieren.

 

Und dann gibt es noch die Menschen, die sich zwar noch jung fühlen, aber aufgrund physischer Leiden vom Fahren normaler Fahrräder ausgeschlossen sind. Auch diesen kann das Pedelec die Eintrittskarte in eine neue Mobilitätsform sein. Die Gruppe derer, die nicht selber Rad fahren können, oder aufgrund der damit verbundenen Anstrengung nicht wollen, ist viel größer als man gemeinhin annimmt. Dass diesen Menschen der Weg in die Fahrradmobilität aufgrund unbedachter Äußerungen verwahrt bleiben könnte, ist nicht hinzunehmen. Dazu sind die zukünftigen Herausforderungen einfach zu groß. Wenn wir als Gesellschaft steigende Ölpreise, Rohstoffabhängigkeit, Verkehrsprobleme, Klimawandel, Volkskrankheiten usw. nicht einfach hinnehmen wollen, dann sollten wir auch nicht aus unseren „sportlichen“ Pkw heraus lächeln auf die herab blicken, die sich von einem Motor beim Treten unterstützen lassen. Es hilft nämlich nichts, wenn man sagt, dass man noch selber Rad fahren kann, es dann in den meisten Fällen aber nicht macht!

 

2. Pedelecs sind gefährlich.

 

Die neusten Meldungen zu Akkubränden und Lenkerbrüchen sollten Gesetzgeber und Fahrradbranche dazu ermuntern, wachsam zu sein und dafür zu sorgen, dass Verbraucher keinen Schund kaufen. Insofern sind Tests, wie schon gesagt, richtig und wichtig. Meist handelt es sich bei den auftretenden Mängeln gar nicht um Mängel, die pedelec-spezifisch sind, sondern um ganz normale Fahrradprobleme. Ein Lenker, der bricht ist kein Alleinstellungsmerkmal der Pedelecs. Richtig ist aber, dass es sich bei Akkus um Energiespeicher handelt. Diese sind immer mit Vorsicht zu behandeln, gerade dann, wenn sie viel Energie speichern. Dazu gehört, dass man sie nicht ins Feuer wirft, nicht fallen lässt, und ich plädiere auch dafür, dass man sie nur dann lädt, wenn man ein Auge darauf haben kann. Außerdem sollte man sie nicht länger als nötig an der Steckdose lassen. Ferner sollte man die Akkus nicht tunen und auch nicht unter dem Bett aufbewahren oder gar laden. Was mich bei der Berichterstattung über Akkubrände stört, ist, dass zwar der Verdacht, dass die Technik versagt hat, schnell gestreut wird, die Ermittlung der eigentliche Ursache aber nicht mitgeteilt wird (Hotelbrand Bad Bevensen) oder nur beiläufig erwähnt wird, dass es sich um Eigenbauprodukte handelt (Explodiertes Transportpedelec in Hamburg).

 

Im Übrigen: Rückholaktionen bei Pkw sind ja nun auch keine Seltenheit. Zudem sind in den Anfangsjahren der Automobilität auch Autos explodiert, Sicherheitsstandards mussten erst geschaffen werden. Gegen Sicherheitsgurte und Katalysatoren hatte man sich anfänglich auch gewehrt, und bis heute stemmt sich die Automobilindustrie dagegen, wenn es um schärfere Grenzwerte beim Schadstoffausstoß oder der Verwendung von Kühlmitteln geht. War oder ist das ein Grund, Automobilität zu verteufeln? Gut, für manche schon, aber die meisten bauen auf kontinuierliche Verbesserungen. Aber das Pedelec soll nun von Anfang an fehlerfrei sein?

 

3. Pedelecs sind nicht wirklich umweltfreundlich.

 

Gegenüber dem konventionellen Pkw ist das Pedelec im Hinblick auf den Treibstoffeinsatz allemal umweltfreundlicher. Die Batterieherstellung und -entsorgung ist sicherlich etwas problematisch, aber doch kaum problematischer als bei anderen technischen Gegenständen. Alle verwenden Autobatterien, Notebooks und Smartphones, MP3-Player und andere batteriegestützte Sachen. Aber beim Elektrofahrrad soll das nun besonders schlimm sein? Ich will es nicht verharmlosen und plädiere auch hier für Standards. Das betrifft aber ein weitaus größeres Feld als nur den Pedelec-Markt. Auch das Argument, dass Pedelecs nur dann umweltfreundlich sind, wenn die Energie aus erneuerbaren Quellen stammt, sollte relativ gesehen werden. Aufgrund des Hybridkonzepts aus Muskelkraft und Strom ist der Wirkungsgrad von vornherein besser als bei Verbrennern. Zudem kann jeder Mensch Ökostrom beziehen oder sogar selber herstellen. Insofern kann man mit seiner persönlichen Verkehrswende ruhig schon vor der bundesweiten Energiewende beginnen. Das Pedelec steht in seiner Entwicklung noch am Anfang. Entsprechend kann auch noch nicht alles optimal sein. Menschen, die heute schon mit Elektrorädern unterwegs sind, sind Pioniere einer neuen Technologie und helfen dabei, kontinuierlich Verbesserungen hervorzubringen.

 

Es braucht aber nicht nur Menschen, die Pedelecs nutzen, sondern auch Gesetze, Standards, und Möglichkeiten, deren Einhaltung zu überprüfen. Man kann nicht alles vom Verbraucher erwarten. So hat der Gesetzgeber bspw. dafür Sorge zu tragen, dass nur geprüfte und als sicher bewertete Ware auf den Markt kommt. Und die Hersteller selbst sollten ein Interesse daran haben, das ihre Waren unbedenklich sind. Trotz aller Mängel, die bei Pedelecs noch auftreten mögen, bieten sie viel Potenzial für das zukünftige Verkehrssystem und können sicherstellen, dass Menschen auch bei sich zukünftig ändernden Rahmenbedingungen bequem, mobil und flexibel sein können. Man sollte also nicht das Kind mit dem Bade auskippen, sondern Verbesserungen fordern und fördern.

 

Durch negative Presseberichte und die vorherrschenden Mobilitätsbilder geraten Pedelec-Freunde oft in die Defensive. Ich möchte allen, die das Pedelec als Mobilitätsalternative für sich entdeckt haben, zurufen: Lasst Euch nicht beirren! Lasst Euch nicht von Wochenend-Rennradfahrern, die die ganze Woche hinterm Lenkrad sitzen, irgendwas von Sportlichkeit erzählen. Nehmt die Kritik ruhig wahr, aber überbewertet sie nicht. Es ist sicher noch nicht alles optimal, aber daran arbeiten wir kontinuierlich!

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Kommentare: 7
  • #1

    Matze Hiller (Mittwoch, 05 Juni 2013 07:44)

    Warum muß in Deutschlannd immer alles negativ gesehen werden? Dies ständige Misstrauen in neue Techniken.

  • #2

    wattrad (Mittwoch, 05 Juni 2013 09:13)

    Hallo Matze, wir sehen hier ganz klar Lobbyarbeit als Motiv. Der Test wurde schliesslich durch den ADAC beauftragt...Verschiedene Gegendarstellungen der Hersteller sind schon im Markt. Danach scheinen die Vorwürfe in weiten Teilen abstrus...

  • #3

    Felix (Mittwoch, 05 Juni 2013 11:59)

    Die Wahrheit zur Lobbyarbeit hier und dort liegt wohl in der Mitte. Erstaunlich, wieviele Menschen dann doch noch 2.000.- EUR in ein Pedelec "investieren" können. Oft mit Kleinkrediten. Soviel Geld geben die Wenigsten für ein normales Rad aus. Hier scheint die eBike-Lobby funktioniert zu haben. eBikes sind chic. Es lässt sich mit scheinbar grünem Touch gutes Geld verdienen. Die Gesamtbilanz ist jedoch oft nicht besser als beim kleinen Roller.

    Ob negative Berichte zur Qualität (Stiftng Warentest et al.) durch die Gegner-Lobby getrieben, oder durch z.T. schlimmes Qualitätsmanagement & China-Outsourcing entstanden sind bleibt offen.

    Als Konsument und Fan von (nahezu jeglicher) freier Mobilität bin ich froh über eine kritische Welle die den Hype wieder zurecht rückt.

    Besonders kritisch sehe ich einfach den Akku - in Bezug auf Ersatzbeschaffung (was ist in 6 Jahren) und Folgekosten (nach 3 Jahren wieder 500.- ?). Zudem stellen wohl die meisten Kunden ihr eBike zum Herbst in die Garage. Zum Frühjahr ist der Akku oft tiefentladen und zumindest vorgeschädigt.

    Am liebsten sind mir Meinungen von Menschen & Gruppen ohne spezielle finanzielle Interessen. Sie möchten ja auch den Absatz fördern, oder ...?

    Schöne Grüße & viel Spass bei den ansonsten sehr spannenden Produkten :-)

    Fx

  • #4

    wattrad (Mittwoch, 05 Juni 2013 13:38)

    Sehe ich auch so. Zwischen schwarz und weiss gibt es tausende Grautöne. Und grundsätzlich ist dieser Markt mit seiner Technologie noch am Anfang...
    Schwierigkeiten tauchen doch aber eher dann auf, wenn ein Pedelec für 700 EUR gewünscht wird und es dann alle Rafinessen und hohe Qualität mitbringen soll.In relation zum etwa gleich teurem Smartfon ein unrealistischer Wunsch...Und auch vor den Pedelecs gab es schon Räder, die teurer als 2000 € waren...
    Wichtig ist uns dass die Räder auch wirklich benutzt werden, denn im konventionellen Bereich steht der Großteil als Kellerleiche im Keller.

  • #5

    Jörg (Samstag, 08 Juni 2013 21:13)

    Ein paar Anmerkungen zur Kritik von "Konsument und Fan jeglicher freier Mobilität":

    Die Aussage "nach 3 Jahren wieder 500.- ?" ist nicht zu pauschalisieren und das Fragezeichen sehr angebracht. Wir fahren seit 3Jahren Gepide Reptila Pedelecs schon über >3000km ohne eine wirkliche Leistungseinbuße feststellen zu können.

    Die Selbstentladung moderner Li-Akkus ist minimal - ein vollgeladener Akku ist nach dem Winter keinesfalls "tiefentladen und zumindest vorgeschädigt". Allenfalls gibt es bei bestimmten Akkutechnologien Probleme bei tiefen Temperaturen. Aber da soll es selbst Dieselautos geben ...

    Ich finde Pedelecs einfach sehr sinnvoll, da sie radfahrend Strecken ermöglichen, die ohne Zusatzantrieb meist mit dem Auto gefahren werden. Bei uns fast täglich 2x10km Arbeitsweg ... Es macht Spaß und konditioniert ohne zu überlasten - gerade bei uns im Bergland.
    Insofern sind die Interessen eines am Test beteiligten Automobilclubs ziemlich eindeutig.

    Das wäre also meine Meinung als "von Menschen & Gruppen ohne spezielle finanzielle Interessen"

  • #6

    funcrasher (Samstag, 15 Februar 2014 19:00)

    Als sportlicher e-bike Fahrer kann ich nur sagen ,wer nie selber e-bike gefahren ist wird es eh nicht verstehen. Ich bin mit den e-bike genauso sportlich unterwegs(zumindest in Bezug auf Ausdauertraining)wie mit meinen Rennrad. Der Unterschied ist halt ich fahre die Belastung gleichmäßiger und hab nicht plötzlich z.B.am Berg oder bei extremen Gegenwind die Belastungsspitzen drin. Dafür fahre ich längere Strecken und auch öfter da man ja bei Bedarf ein wenig Hilfe bekommt!

  • #7

    Ralph Wegner (Sonntag, 16 Februar 2014 13:59)

    Danke funchrasher, Du sprichst mir aus der Seele...